Lex Olympia – Gesetzentwurf

Hamburg, 26.5.2015

Das Volk möge beschließen:

…. Gesetz
zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg:

Lex Olympia – für ein faires Verfahren zur Volksabstimmung über Olympische und Paralympische Spiele in Hamburg

 

Hinter Artikel 76 wird Artikel 76a neu eingefügt:

(1) Die Bürgerschaft kann einen Gesetzentwurf oder eine andere Vorlage dem Volk zur Entscheidung über die Durchführung der olympischen und paraolympischen Spiele vorlegen (Olympiareferendum). Zur Beschlussfassung ist Artikel 49 sinngemäß anzuwenden. Der Beschluss muss einen vorläufigen Kostenrahmen sowie die Grundzüge der Planung und Finanzierung enthalten. Sie müssen begründet sein.

(2) Für Planungsunterlagen, Kosten- und Finanzierungspläne, Gutachten und Stellungnahmen zur Durchführung der olympischen und paraolympischen Spiele besteht eine Veröffentlichungspflicht gemäß Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG) vom 19. Juni 2012.

(3) Innerhalb von drei Monaten nach dem Beschluss der Bürgerschaft können ein Fünftel ihrer Abgeordneten oder zweieinhalb vom Hundert der Wahlberechtigten (Referendumsbegehren) jeweils einen eigenen Vorschlag dem Referendum beifügen.

(4) Der Senat führt das Referendum innerhalb eines Jahres, frühestens jedoch sechs Monate nach dem Beschluss der Bürgerschaft nach Absatz 1 durch. Die Bürgerschaft beschließt den Abstimmungstag. Die Abstimmung kann auch auf den Tag der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft, zum Deutschen Bundestag oder zum Europäischem Parlament gelegt werden, der auf den Beginn der Frist nach Satz 1 folgt. Werden dem Referendum Vorschläge gemäß Absatz (3) beigefügt, so wird der Abstimmungstag im Einvernehmen mit den Trägern dieser Vorschläge bestimmt. Kommt kein Einvernehmen zustande, dann findet die Abstimmung am letzten Sonntag vor Ablauf der Frist nach Satz1statt. Die Bestimmungen für die Durchführung von Volksentscheiden Artikel 50 und im Hamburgischen Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz) vom 20. Juni 1996 zuletzt geändert am 9. Oktober 2012 gelten sinngemäß, soweit in diesem Artikel nichts anderes bestimmt ist. Die Beschlussvorlage der Bürgerschaft muss in aktualisierter Form vorliegen. Mit den Abstimmungsunterlagen werden die begründeten Vorlagen mit Kurzfassung an alle Abstimmungsberechtigten verschickt.

(5) Es entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Stehen mehrere Vorlagen zur Abstimmung, können die Wahlberechtigten jede Vorlage einzeln annehmen oder ablehnen und angeben, welche sie bevorzugen (Stichfrage). Erhalten mehrere Vorlagen mehr Ja- als Neinstimmen, ist jene angenommen, die bei der Stichfrage die meisten Stimmen erhält. Bei sich widersprechenden Vorlagen ist eine Alternativabstimmung im Einvernehmen mit den Trägern der Vorlagen zulässig. § 9 des Gesetzes zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in den Bezirken (Bezirksabstimmungsdurchführungsgesetz) vom 27. Januar 2012 ist entsprechend anzuwenden.

(6) Eine Volksabstimmung über die Durchführung der olympischen und paraolympischen Spiele in Hamburg kann auch im Wege von Volksinitiative und Volksbegehren gemäß Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung in der Fassung vom 6. Juni 1952, zuletzt geändert am 13. Dezember 2013, herbeigeführt werden (Olympiaentscheid), sofern die Bürgerschaft keinen Beschluss gemäß Absatz (1) gefasst hat.

(7) Volksinitiativen gemäß Absatz (6) ruhen nach Beschluss der Bürgerschaft nach Absatz (1) bis zum Abschluss des Olympiareferendums. Dasselbe gilt für Volksinitiativen, die zum Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht zustande gekommen sind. Für zustande gekommene Volksinitiativen führt der Senat auf Antrag der Initiative ein Referendumsbegehren gemäß Absatz (3) durch. Dasselbe gilt für Volksbegehren gemäß Absatz (6), die noch nicht zustande gekommen sind. Auf Antrag der Träger des Volksbegehrens ruht das Verfahren des Olympiareferendums bis zum Abschluss des Volksbegehrens. Wird dieser Antrag nicht gestellt oder ist ein Volksbegehren zustande gekommen und zulässig, dann ruht das Verfahren des Olympiareferendums bis zum Abschluss des Olympiaentscheids.

(8) Das Gesetz bestimmt das Nähere, soweit es nicht im Volksabstimmungsgesetz, zuletzt geändert am 9. Oktober 2012, geregelt ist.

(9) Mit Abschluss der olympischen und paraolympischen Spiele in Hamburg tritt dieser Artikel außer Kraft .

 

Allgemeine Begründung:

Die Entscheidung, die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs darüber abstimmen zu lassen, ob die olympischen und paraolympischen Spiele hier stattfinden können, wird mit dieser Gesetzesvorlage ausdrücklich begrüßt. Die Expertenanhörung am 22.April 2015 im Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft hatte als wesentliches Ergebnis: Das Verfahren für das Referendum muss in der Verfassung verankert werden. Empfohlen wird eine Sonderfallregelung, weil eine allgemeine Einführung von Referenden im Hau-Ruck Verfahren zu viele Risiken birgt.

So ein Schnellverfahren ist bei einer Verfassungsänderung ohnehin nicht seriös.

Die Sachfrage „Olympiabewerbung“ sollte weder direkt noch indirekt mit grundlegenden und allgemeinen Änderungen der Verfassung oder von Durchführungsgesetzen für Volksabstimmungen und Wahlen verbunden sein. Genau das hat die Bürgerschaft mit ihrem Vorschlag zur Einführung eines Bürgerschaftsreferendum (Bürgerschaftsdrucksachen …) vor. Im Kern werden mit der angestrebten Verfassungsänderung Volksentscheide ins Belieben der Bürgerschaft gestellt. Auch um die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten zu erreichen wurden mit der Opposition Änderungen des Wahlrechts und der Regeln für Volksabstimmungen verabredet. Sie werden nach aller Erfahrung und den bisher überwiegend intern diskutierten Vorschlägen zu weiteren Einschränkungen der Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger führen. Dieses Vorgehen wird das Vertrauen in die Parteien und die Akzeptanz von Parteien weiter zerstören und dadurch auch die parlamentarische Demokratie beschädigen.

Der Missbrauch der Olympiafrage zur Veränderung von Machtstrukturen zum eigenen Vorteil wird auch die Entscheidung über die Olympiabewerbung belasten.

Die Abstimmung über diese Bewerbung soll mit dieser Volksinitiative auf eine faire, von sachfremden Zielen freie Grundlage gestellt werden. Initiativen aus dem Volk und die Opposition in der Bürgerschaft erhalten eine reelle Chance, ihre Vorstellungen den Abstimmungsunterlagen beizufügen. Das schafft breite Akzeptanz und eine hohe politische Verbindlichkeit des Abstimmungsergebnisses in der Bevölkerung. Nach so einem Verfahren muss niemand befürchten, später von Volksinitiativen ausgehebelt zu werden. Regierungen und Parlamente, die von der Qualität ihrer Vorschläge und Argumente überzeugt sind, müssen das Volk nicht fürchten und sich Instrumente schaffen, um Verfassungsrechte des Volkes, hier Volksentscheide, im Keim ersticken zu können. Von dieser Überzeugung ist diese Volksinitiative mit ihrem Gesetzentwurf für ein faires Abstimmungsverfahren geprägt.

Dazu wurde auch die Beziehung zwischen dem Verfahren von oben (Olympiareferendum) und dem Verfahren von unten (Olympiaentscheid) fair geregelt. Kein Verfahren kann das andere aushebeln und eine Gegenvorlage verhindern.

Für den Fall, dass die Hamburger Bewerbung für 2024 scheitert und Senat und Bürgerschaft den Mut verlieren, sich in den folgenden Jahrzehnten erneut zu bewerben, wird die Möglichkeit eines Olympiaentscheids von unten geschaffen.

Der Zeitdruck für das Durchpeitschen einer Verfassungsänderung ist so nicht gegeben. Nach der Vereinbarung mit dem deutschen olympischen Komitee soll das Ergebnis bis Mitte Januar vorliegen (Quelle). Das ist mit diesem Vorschlag leistbar, wenn die Bürgerschaft ihn kurzfristig übernimmt. Das internationale olympische Komitee hat ohnehin nicht so enge Zeitpläne. In Boston, USA, soll erst Ende 2016 eine Volksabstimmung über die Bewerbung stattfinden (Quelle). Bürgerschaft und Senat haben sich ohne Not einen Zeitdruck geschaffen.

 

Die Begründung in Einzelnen:

Zu Absatz (1): Der Beschluss der Bürgerschaft, ein Referendum durchzuführen, muss einen begründeten und belastbaren konkreten Vorschlag über den Zeitpunkt, die zu erwartenden Kosten und die Grundzüge der Planung und Finanzierung enthalten. Das schließt auch eine erste Analyse des Nutzens und der Risiken für das Gemeinwohl Hamburgs und der Metropolregion ein. Dadurch soll verhindert werden, dass das Referendum quasi ein Blankoscheck ist, der bei Kostenentgleisungen genutzt werden kann: „Das Volk wollte doch die olympischen Spiele“. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere die Vorgabe eines Kostenrahmens für solche Vorhaben die Risiken von Kostenexplosionen eindämmt.

Zu Absatz (2): Möglichst große Transparenz bei Planung, Kosten und Finanzierung schützt vor Fehlentwicklungen und ist Voraussetzung für die Erstellung von Vorschlägen, die dem Referendum nach Absatz (3) beigefügt werden können.

Zu Absatz (3): Die Opposition sowie die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs werden eingeladen, Gegen- oder Alternativvorlagen mit zur Abstimmung zu stellen.

Zu Absatz (4): Der Tag der Abstimmung sollte nie frei wählbar für einen Träger des Verfahrens sein. Das führt erfahrungsgemäß zu Missbrauch bei der Terminfestsetzung. Das Ob, Wie und Wann eines Referendums und die Zulassung von Gegenvorlagen sollten nie allein ins Belieben einer Exekutive und die sie tragende Parlamentsmehrheit gestellt werden. Für die Durchführung von Referenden, die eine möglichst hohe politische Bindungswirkung entfalten sollen, ist ein faires Miteinander der Beteiligten erforderlich. Diesen Grundsätzen sollen die Bestimmungen für die Durchführung der Abstimmung über die olympischen Spiele in Hamburg gerecht werden. Dazu wurde auch die Einvernehmensregel für die Bestimmung des Abstimmungstermins aufgenommen.

Zu Absatz (5): Quoren bergen bei Volksabstimmungen ein großes Problem. Minderheiten können über Mehrheiten siegen, insbesondere wenn die Gegner eines Referendums zum Boykott aufrufen. Deshalb sind solche Quoren weltweit die Ausnahme und nicht nur demokratietheoretisch abzulehnen. Die Mehrheit gewinnt, Minderheitsrechte sind durch die Verfassung und Gesetze geschützt. Nicht nur aus dieser demokratischen Maxime wird kein Abstimmungsquorum verfügt. Der Beschluss der Bürgerschaft, über eine konkrete Vorlage das Volk abstimmen zulassen, birgt bereits eine demokratische Legitimation, die auch ein Quorum erübrigt. Diese Abstimmungsregel entspricht dem Verfahren beim Bürgerentscheid in Hamburg. Das Prinzip ist Standard in der Schweiz. Es ist fair und hat sich bewährt.

Zu Absatz (6): Auch von unten soll im Spezialfall „Olympia“ eine Volksabstimmung herbeigeführt werden können. Damit könnten Institutionen wie z.B. die Handelskammer Hamburg oder der Hamburger Sportbund zukünftig Olympiaentscheide anschieben, wenn die Hamburger Bewerbung für 2024 scheitern sollte. Außerdem soll gesichert werden, dass Bürgerinnen uns Bürger eigene Vorlagen einem Olympiareferendum entgegenstellen können und nicht ausgesperrt werden.

Zu Absatz (7): Hier wird ein faires Miteinander von Olympiareferenden von oben und Olympiaentscheiden von unten geregelt, siehe auch allgemeine Begründung und Begründung zu Absatz (4). Das Verfahren für Olympiareferenden, ausgelöst durch die Mehrheit der Bürgerschaft, führt zur Volksabstimmung- hier dem Olympiareferendum, wenn die Bürgerschaft die Vorreiterrolle übernimmt. Wird das Verfahren durch Bürgerinnen und Bürger erfolgreich eingeleitet, dann kann das herkömmliche Volksabstimmungsverfahren mit Volksentscheid, hier Olympiaentscheid, zum Zuge kommen.

Zu Absatz (8): Die Bestimmung wird vorsorglich aufgenommen für den Fall, dass die Bestimmungen in diesem Artikel und im Volksabstimmungsgesetz die Durchführung von Olympiareferenden und Olympiaentscheiden nicht ausreichend regeln.

Zu Absatz (9): Sobald es olympische Spiele in Hamburg gegeben hat, wird Artikel 76a aufgehoben, weil er seinen Zweck erfüllt hat.

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