Verfassungsänderung vom Juni 2015

Verfassungsänderung im Zuge von Olympia

Bis Mai 2015 gab es noch keine Möglichkeit zur “Volksbefragung von oben”, also durch Bürgerschaft und Senat. Daher musste Artikel 50 der Hamburger Verfassung geändert werden, sollte es eine Volksbefragung zu den olympischen Spielen in Hamburg geben.

Doch die Einführung des „Bürgerschaftsreferendums“ in die Verfassung durch SPD, Grüne, CDU und AfD unterwandert sehr raffiniert die lang erstrittene bürgerfreundliche Volksgesetzgebung in Hamburg. Die Bürgerschaft hat sich selbst ein Instrument geschaffen, mit dem sie direkt verhindern kann, dass die Hamburgerinnen und Hamburger über Gesetzes- oder Gestaltungsvorschläge aus dem Volk abstimmen. Die Bürgerschaft kann allein durch den Beschluss, ein Referendum abzuhalten, ganz Themenbereiche auf unbestimmte Zeit für Volksinitiativen sperren.

Der Staatsrechtler Prof. Hans Meyer, ehem. Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, sagt: „Die Verfassungsänderungen sind geeignet, Volksinitiativen im Keim zu ersticken.

Angelika Gardiner, Vertrauensperson der Initiative

Angelika Gardiner, Vertrauensperson der Initiative


“Die Sache ist so unglaublich, dass es viele tatsächlich nicht glauben können. Wer hätte gedacht, dass sich die Grünen mit SPD, CDU und AfD verbünden, um die Volksgesetzgebung in Hamburg auszuhebeln? Die Volksgesetzgebung in Hamburg, die bisher das Parlament in wichtigen Fragen korrigieren konnte, ist damit de facto tot.“


Wie die Bürgerschaft mit dem Instrument „Referendum“ verhindern kann, dass Gesetzes- und Gestaltungsvorschläge von Volksinitiativen erfolgreich zum Volksentscheid kommen:

  • Nachdem die Bürgerschaft beschlossen hat, ein Referendum abzuhalten, haben weder Bürgerinnen und Bürger noch die Opposition die Möglichkeit einen Alternativvorschlag zur Abstimmung zu entwickeln und einzubringen.
  • Laufende Volksinitiativen werden gestoppt, sobald die Bürgerschaft ein Referendum zum selben Thema beschließt, ohne Chance, dass ihre Position als Alternative in die Abstimmung aufgenommen wird.
  • Nach dem Bürgerschaftsbeschluss für ein Referendum haben erfolgreiche Volksinitiativen zum selben Thema nur zwei Wochen Zeit, um die dreiwöchige Frist für das Sammeln von 65.000 Unterschriften zu organisieren, damit ihre Position als Alternative in die Abstimmung aufgenommen wird. Damit werden die Initiativen in ein Verfahren gezwungen, das die meisten aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht schaffen können.
  • Beschließt die Bürgerschaft ein Referendum zu einem Gegenstand, zu dem es bereits ein erfolgreiches Volksbegehren gibt, wird dessen Anliegen dem Referendum als Gegenvorlage beigefügt. Die Volksinitiative, Träger des Volksbegehrens, verliert durch den Referendumsbeschluss aber das Recht, den Zeitpunkt der Volksabstimmung zu bestimmen. In der Regel bevorzugen sie den Tag einer Wahl zur Bürgerschaft oder zum Bundestag, da die Zustimmungsquoren leichter zu erreichen sind. Wenn die Bürgerschaft die Abstimmung nicht auf einen Wahltag legt, ist das Risiko erheblich, dass beide Vorlagen am Zustimmungsquorum (20 % aller Wahlberechtigten müssen Ja zu einer Vorlage sagen) scheitern werden.
  • Werden Volksbegehren, die eine Verfassungsänderung zum Ziel haben, durch einen Referendumsbeschluss übernommen, dann gilt ein neu eingeführtes, verschärftes Quorum für das Referendum: 50 % aller Wahlberechtigten und zugleich 2/3 aller Abstimmenden
    müssen zustimmen, wenn das Referendum nicht am Tag der Wahl zum Bundestag oder zur Bürgerschaft stattfindet. So ein Quorum wurde weltweit bisher erst zweimal überwunden. Verfassungsänderungen durch das Volk können damit von Senat und Bürgerschaft in jedem Fall verhindert werden.
  • Bürgerschaft und Senat können die Durchführung eines Referendums auf unbestimmte Zeit hinauszögern, wenn sie nach dem Beschluss ein Referendum abzuhalten, keinen Beschluss zum Zeitpunkt des Referendums herbeiführen. Volksinitiativen und Volksbegehren zum selben Thema ruhen in der Zeit.
  • Nach einem Bürgerschaftsreferendum, werden Volksinitiativen zum gleichen Thema bis zum Ende der Legislaturperiode und mindestens drei Jahre verboten.

Dokumente:

Der geänderte Artikel 50 der Hamburger Verfassung

Antrag der Bürgerschaft als PDF

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